Schwerhörigkeit in der Pflege

08.08.2024

14 Minuten Lesedauer

Schwerhörigkeit in der Pflege

„Im Alter nehmen Sie eben zu, die Zipperlein …“ Haben Sie sich schonmal bei diesem Gedanken ertappt? Doch Schwerhörigkeit ist – obwohl weit verbreitet – keine normale und somit hinzunehmende Alterserscheinung.

Denn die Auswirkungen sind mit denen einer Blindheit vergleichbar, die Ursache gut behandelbar – wenn sie denn erkannt und richtig eingeordnet wird. So kann Betroffenen eine gute Lebensqualität mit sozialer Teilhabe trotz Schwerhörigkeit ermöglicht werden.

Wie entsteht Schwerhörigkeit?

Die Gründe für eine Schwerhörigkeit können sehr unterschiedlich sein.
In einigen Fällen kommen Babys bereits mit einer Höreinschränkung bis hin zur Gehörlosigkeit auf die Welt, etwa wenn ein Gendefekt vorliegt oder die Mutter in der Schwangerschaft von einer bestimmten Infektion betroffen war.

In anderen Fällen ist die Schwerhörigkeit nicht angeboren, sondern im Laufe des Lebens erworben: etwa durch einen Hörsturz, ein Schalltrauma, eine Menière-Krankheit, Mittelohrentzündungen oder Verletzungen. Es kann aber auch ganz einfach ein „Ohrenschmalz-Pfropf“ den Gehörgang verstopfen.

Nicht selten sind auch jahrelange Lärmeinwirkung im Beruf oder im Privatleben verantwortlich. Schwerhörigkeit in Folge einer dauerhaften Lärmbelastung gehört zu den häufigsten anerkannten Berufskrankheiten in Deutschland.

Gleichzeitig geht man davon aus, dass ab dem 55. Lebensjahr bei vielen Menschen die Hörleistung nach und nach abnimmt, weil Hörzellen und Hörnerven nachlassen – die sogenannte Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) setzt ein.

Aus diesem Grund sind Pflegekräfte häufig mit Betroffenen von Schwerhörigkeit in der Pflege konfrontiert und müssen einen Umgang damit finden – Grund genug, einmal genau hinzuschauen.

Symptome: Wie erkennt man schwerhörige Personen in der Pflege?

Das ist die erste Frage, die sich viele Pflegende stellen müssen. Denn wenn Ihr Schützling nicht auf Ansprache reagiert, kann das viele Ursachen haben – etwa auch eine geistige Behinderung oder eine Demenz. Diese sollten Sie aber nicht mit einer Schwerhörigkeit verwechseln. Nur, wenn man die richtige Ursache erkannt hat, kann man Hilfe für Schwerhörige leisten.

Sie erkennen die Schwerhörigkeit an folgenden Symptomen:

  • Die betroffene Person reagiert nur, wenn Sie sich in ihrem Blickfeld nähern – aber nicht, wenn Sie sie ansprechen.
  • Die Lautstärke von Fernseher oder Radio empfinden Sie als störend laut. Ihr Schützling dagegen nicht.
  • Ein Gespräch empfindet der oder die Betroffene als sehr anstrengend. Das erkennen Sie an einer hochkonzentrierten Mimik mit einer Falte zwischen den Augen. Er oder sie gibt Unpassendes oder immer die gleiche generelle Aussage zur Antwort, lächelt nur und kommt Ihnen beim Sprechen unbewusst näher als normal.
  • Anstatt CD oder Radio zu hören, lesen Betroffene lieber und gehen anderen Hobbys nach und vermeiden Telefonate.
  • Betroffene empfinden Hintergrundgeräusche als störend, beklagen sich über das „Nuscheln“ ihrer Gesprächspartner und legen ihre Hand an das Ohr.
  • Ein Hinweis auf einseitige Schwerhörigkeit ist das Neigen des Kopfes in Ihre Richtung, wenn Sie miteinander sprechen.

Erkennen Sie diese Anzeichen, sollten sie professionelle Hilfe zu Rate ziehen, etwa bei Hörakustiker:innen oder HNO-Fachärzt:innen. Denn unbehandelt kann Schwerhörigkeit das soziale Leben Betroffener stark einschränken und sogar Demenz-Symptome beschleunigen.

Beachten Sie auch, dass viele Betroffene ihre Einschränkung als peinlich empfinden und sie gerade deshalb zu verbergen versuchen. Das macht es nicht immer einfach, sie zu unterstützen und Hilfe zu ermöglichen!

Die Auswirkungen verschiedener Schwerhörigkeitsgrade

Wie stark das Leben Betroffener eingeschränkt ist, hängt sehr vom Grad der Schwerhörigkeit ab.

Bei einer geringfügigen Schwerhörigkeit können Betroffene etwa einfach das Ticken einer Uhr nicht mehr wahrnehmen. Doch die Schwerhörigkeit kann auch so stark ausgeprägt sein, dass nur noch dann ein Gespräch möglich ist, wenn das Gesicht vom Gegenüber zu sehen ist und Blickkontakt besteht.

Bei weiter fortgeschrittener Schwerhörigkeit ist auch das nicht mehr möglich und Betroffene nehmen nur noch sehr laute Geräusche wahr.
Gehörlose Menschen können keine Geräusche hören.

 

Wichtig! Auch schwerhörige Menschen können lärmempfindlich sein, denn sie hören nicht einfach nur alles leiser. Sprache kann unklar, verzerrt und abgehackt für sie klingen – besonders, wenn viele Menschen gleichzeitig sprechen. Gerade wenn sie ein Hörgerät tragen, ist es nicht ratsam, sie vorbeugend laut anzusprechen. Denn dann sind sie oft gerade deshalb lärmempfindlich.

Welche Probleme ergeben sich bei Schwerhörigkeit im Pflegealltag?

Neben der bereits beschriebenen Lärmempfindlichkeit gibt es auch noch weitere Faktoren, die Betroffenen das Leben schwer machen und verschiedene psychische, soziale und körperliche Beeinträchtigungen mit sich bringen – besonders, wenn die Schwerhörigkeit nicht erkannt und behandelt wird.

  • Bei einem Umzug in ein Heim gibt es häufig Anpassungsschwierigkeiten. Viele Betroffene reagieren unsicher und unselbständig, weil sie die neue Umgebung nur eingeschränkt erkunden können. Freund:innen und Angehörige, die an die Einschränkung gewöhnt waren, fallen weg.
  • Eine Reaktion auf Schwerhörigkeit ist sozialer Rückzug, denn Gespräche werden immer mühsamer.
  • Eine weitere Folge kann zunehmendes Misstrauen bis hin zu Wahnvorstellungen sein: Hat da jemand hinter meinem Rücken über mich gesprochen?
  • Das Selbstwertgefühl leidet, was depressive Verstimmungen und psychosomatische Leiden nach sich ziehen kann.
  • Bewegung im Straßenverkehr wird unsicherer, weil Geräusche von Autos oder Fahrradklingeln nicht wahrgenommen werden können.
  • Betroffene können zusätzlich an Gleichgewichtsstörungen leiden, was die Sturzgefahr erhöhen kann.

Was hilft beim Umgang mit Schwerhörigkeit in der Pflegeplanung?

Schwerhörigkeit kann das Leben einschränken. Umso wichtiger ist es, das Problem rechtzeitig zu erkennen und Hilfe für Schwerhörige zu organisieren. Zum Beispiel über Hilfsmittel, wie ein Hörgerät, die richtige medizinische Behandlung und Betroffene im sozialen Leben so gut wie möglich zu integrieren. Das hilft dabei, Selbstwertgefühl und Lebensqualität zu erhalten.

Schon kleine Hilfsmittel können im Alltag viel Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Teilhabe erhalten. Dazu gehören beispielsweise das Verwenden von Kopfhörern beim Fernsehschauen oder die Nutzung von Vibrationsweckern beim morgendlichen Aufstehen

Versuchen Sie in der Pflegeplanung auch, Bewegung zu ermöglichen und gleichzeitig Stürze zu vermeiden, die durch Gleichgewichtsstörungen begünstigt werden können. Lassen Sie sich zu Fragen rund um Hörvermögen und Hörgeräte medizinisch von Hals-Nasen-Ohren-Ärzt:innen beraten.

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Tipps für die Kommunikation mit Betroffenen

Folgende Tipps helfen bei der Kommunikation mit hörgeschädigten oder schwerhörigen Menschen:

  • Sorgen Sie für eine ruhige Umgebung ohne Hall und unnötige Geräuschquellen wie Fernseher oder Radio und eine möglichst kurze Sprechdistanz.
  • Sprechen Sie langsam und deutlich.
  • Wenden Sie sich beim Sprechen nicht ab. Eine deutliche Artikulation, Resthören und Ablesen von Mundbewegungen und Mimik helfen Betroffenen dabei, die Wörter zu erahnen.
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihr Gesicht gut beleuchtet ist.
  • Formulieren Sie einfach und lassen Sie bewusst Pausen zum Kombinieren und Verstehen und wiederholen Sie wichtige Sätze.
  • Lauter zu sprechen hat oft keinen guten Effekt und verschlechtert die Ablesbarkeit von den Lippen.
  • Geben Sie wichtige Informationen wie Uhrzeiten, Daten, Adressen und Telefonnummern schriftlich auf einem Notizblatt.
  • Ermutigen Sie Betroffene, nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben, und fragen Sie selbst immer wieder nach, was angekommen ist.
  • Mimik und Gestik hilft beim Sprachverstehen. Darum ist bei der Kommunikation mit Betroffenen Videotelefonie besser geeignet als reines Telefonieren. Es gibt mittlerweile auch Systeme, die Telefonsignale direkt in Hörgeräte einspielen.
  • Je nach Krankheitsbild können Hilfsmittel wie Bildtafeln, Wortkarten, Schreibblock und Stift, aber auch digitale Hilfsmittel wie Apps mit Spracherkennungsprogrammen unterstützen.
  • Weitere digitale Hilfsmittel finden Sie bei der Deutschen Hörbehinderten Selbsthilfe.

Pflege bei Schwerhörigkeit – Fazit

Eine Schwerhörigkeit muss nicht in eine soziale Isolation münden – wenn Pflegende die Symptome richtig zuordnen, Hilfsmittel zur Verfügung stellen und sich auf die Bedürfnisse der Betroffenen abstimmen.

Wichtig dabei ist eine gute inhaltliche Zusammenarbeit von Pflegekräften mit HNO-Fachärzt:innen und Hilfsmittelerbringern.

Häufige Fragen

Ist Schwerhörigkeit ein Pflegeproblem?

Unbehandelt kann Schwerhörigkeit die Pflege von Betroffenen erschweren und deren Lebensqualität mindern. Daher ist es wichtig, eine Schwerhörigkeit rechtzeitig zu erkennen, zu behandeln und sich in der Kommunikation darauf einzustellen.

Welche Probleme verursacht Schwerhörigkeit in der Pflege?

Schwerhörigkeit kann die Pflege beeinflussen. Pflegende müssen das Verhalten der Betroffenen richtig deuten, statt auf eine Demenz oder Intelligenzminderung zu schließen. Bleibt angepasste Hilfe für Betroffene von Schwerhörigkeit aus, können sozialer Rückzug und verschiedenen psychische, soziale und körperliche Beeinträchtigungen die Folge sein.

Wie kommuniziert man am besten mit Hörgeschädigten in der Pflege?

Für die Kommunikation mit Hörgeschädigten in der Pflege ist wichtig, dass Sie langsam sprechen, aber nicht unbedingt überdeutlich oder besonders laut. Wenden Sie sich den Betroffenen direkt zu. So haben diese die Möglichkeit, sich Sinnzusammenhänge aus Mimik und von den Lippen abzulesen. Achten Sie auf eine leise Umgebung.

Ist Schwerhörigkeit eine Behinderung?

Ob die Schwerhörigkeit als Behinderung anerkannt wird, wird von einer Gutachterin oder einem Gutachter beurteilt. Das Ergebnis wird anschließend in einem Grad der Behinderung bzw. in einem Grad der Schädigungsfolgen festgehalten.

Was zahlt die Krankenkasse bei Schwerhörigkeit?

Hörgeräte sind als Hilfsmittel von Krankenkassen anerkannt und werden bis zu einem festgelegten Höchstbetrag bezuschusst. Es gibt auch Hörgeräte, sogenannte Kassenmodelle, die von Krankenkassen bis auf einen gesetzlichen Eigenanteil komplett bezahlt werden.

Quellen

https://www.pqsg.de/seiten/openpqsg/hintergrund-standardpflegeplan-gehoerlosigkeit.htm
https://www.pqsg.de/seiten/openpqsg/hintergrund-standard-schwerhoerigkeit.htm
https://www.schwerhoerigen-netz.de/fileadmin/user_upload/dsb/Dokumente/Information/Service/Facharbeiten/Der_hoergeschaedigte_aeltere_im_Pflegealltag.pdf
Alltagshilfen: https://www.hoerbehindertenselbsthilfe.de/hoerenundverstehen/92-alltagshilfen.html
Tipps für die Kommunikation mit hörgeschädigten Patienten: https://www.schwerhoerigen-netz.de/fileadmin/user_upload/dsb/Dokumente/Information/Service/Ratgeber/Ratgeber21_Fuer_AErzte_und_Pflegekraefte.pdf
Hintergrundinfos: https://www.pflege.de/krankheiten/altersschwerhoerigkeit/

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Zuletzt Aktualisiert am: 08.08.2024

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