Eine Demenzerkrankung lässt sich nicht heilen. Ist diese einmal diagnostiziert, braucht es vor allem die richtige Betreuung und Therapie, um den Krankheitsverlauf so günstig wie möglich zu beeinflussen. Monika Müller ist Fachkraft für Gerontopsychiatrie und kümmert sich im Haus Schulze-Kathrinhof in Saarwellingen um Bewohner:innen, die an Demenz erkrankt sind. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit und die Volkskrankheit Demenz gesprochen.
Viele Menschen haben im Umgang mit demenzkranken Personen große Berührungsängste. Frau Müller, wie kam es dazu, dass Sie sich ausgerechnet für diesen Bereich entschieden haben?
Ich habe jahrelang als Integrationshilfe für Kinder und Jugendliche gearbeitet. Irgendwann kam für mich der Zeitpunkt, an dem ich mich dafür interessiert habe, Menschen dabei zu helfen, ihre letzten Lebensjahre zu bewältigen. Daher entschloss ich mich durch Fort- und Weiterbildungen im Bereich der Altenpflege zu spezialisieren. Seit 2016 bin ich nun bei Korian in Saarwellingen und kümmere mich um Bewohner:innen im geschützten Bereich. Ich bin sehr froh, diesen Schritt gemacht zu haben. Ich könnte mir keinen vielseitigeren Beruf mit so vielen positiven Herausforderungen vorstellen.
Woran kann ich als Angehöriger erkennen, ob meine Mutter oder mein Vater dement ist?
Es mag vielleicht banal klingen, aber klassische Anzeichen für eine Demenzerkrankung sind zum Beispiel:
Ein Hausschlüssel, der verlegt wurde und nicht mehr auffindbar ist.
Der geliebte Garten ist komplett verwildert und nicht mehr gepflegt.
Die betroffene Person ist abgemagert, weil vergessen wird regelmäßige Mahlzeiten einzunehmen.
Meistens sind es also die kleinen Dinge im Alltag, die nicht mehr richtig funktionieren oder bei denen sich plötzlich das Verhalten und die Gewohnheiten der Erkrankten verändern. Hier möchte ich auch nochmals auf das diesjährige Motto des Welt-Alzheimertages 2021 hinweisen: „Demenz – genau hinsehen!“. Es gilt aufmerksam zu sein und genau hinzusehen, ob jemand unsere Unterstützung benötigt.
In vielen Pflegeheimen und Ambulanten Diensten wird „Biographiearbeit“ als Therapieform angewendet. Inwiefern ist diese wichtig, für die Arbeit mit demenzkranken Personen?
Biographiearbeit hilft vor allem dabei, die Bedürfnisse und Wünsche der Senior:innen zu verstehen. Bekommen wir neue Bewohner:innen bei uns in den Demenzbereich, unterstützen uns deren Angehörige bei der Biographiearbeit. Das heißt wir erhalten eine komplette Übersicht über Hobbies aus früheren Zeiten, Gewohnheiten, Freundschaften, aber auch Lieblingsplätze. Das Ziel der Biographiearbeit ist es, positive Erinnerungen und somit auch Emotionen zu wecken.
Ich habe da ein ganz schönes Beispiel: bei uns lebt ein 65-jähriger Herr, der früher sehr viel Zeit im Wald und mit der Jagd verbracht hat. Aus diesem Grund haben wir für ihn eine geführte Wanderung mit einem Hund und einem Förster organisiert. Der Ausflug in den Wald hat bei ihm sofort Erinnerungen an Früher geweckt. Unser Senior konnte uns sogar noch seine Lieblingsplätze und -pflanzen benennen.
Ich finde Biographiearbeit ist ein wirklich sehr wichtiger Baustein, um besonders die eigene Identität der Betroffenen zu bewahren und das Wohlbefinden zu steigern.
Welche Therapieformen werden noch in der Einrichtung angewendet?
Es ist wichtig, Erinnerungen von früher zu erwecken, aber gleichzeitig auch die kognitiven Fähigkeiten zu fördern. Daher bieten wir einen bunten Mix an Beschäftigungen und Tätigkeiten an, um all diese Bedürfnisse zu vereinbaren. Dazu zählen beispielsweise Erinnerungsreisen, Gedächtnistrainings, Lesezirkel, Gesangsstunden, aber auch Koch- und Backstunden.
Welche Art von Umgebung benötigt eine demenzkranke Person generell?
Menschen mit Demenz dürfen nicht versteckt oder zuhause eingesperrt werden. Sie brauchen für die Aufrechterhaltung ihrer kognitiven Fähigkeiten unbedingt viele soziale Kontakte. Das kann wie bei uns im Pflegeheim in unseren regelmäßigen Gruppenaktivitäten passieren. Pflegende Angehörige sollten zuhause auf ein soziales Umfeld und ein gut funktionierendes Netzwerk achten.
Gibt es Regeln im Umgang mit demenzkranken Menschen?
Streiten unbedingt vermeiden! Es gibt nichts Schlimmeres, als in den ständigen Konflikt mit den Erkrankten zu gehen und ihnen dabei zu vermitteln, dass sie falsch liegen. Auch wenn es nicht leicht ist, man muss ihnen das Gefühl geben, dass sie immer recht haben und dabei die Ruhe bewahren. Respekt steht an erster Stelle. Menschen mit Demenz verdienen den gleichen Respekt wie andere Erwachsene und möchten nicht wie kleine Kinder behandelt werden. Meine goldene Regel: als Familie muss man akzeptieren, dass man die Krankheit nicht heilen kann, sondern sie versuchen zu verstehen.
Wie wird man denn eine gute Gerontofachkraft?
Man muss sehr viel Engagement und vor allem Geduld mitbringen. Die Arbeit mit älteren Menschen mag nicht immer einfach sein, Personen mit einer Demenzerkrankung erfordern nochmals viel mehr von einem. Rückschläge gehören dazu und diese sollte man auch akzeptieren können. Denn es wird nicht immer alles so laufen, wie man es sich vorstellt. Wer das beherzigt und gleichzeitig noch jede Menge Mut mit an den Tag legt, um für den betroffenen Bewohner die richtige Fürsorge zu finden, demjenigen steht nichts bei der Karriere als gerontopsychiatrische Fachkraft im Weg.
Was tun Sie für sich, um mit dem emotionalen Stress umzugehen?
Laufen, laufen, laufen! Ich gehe in meiner Freizeit unheimlich gerne raus in die Natur. Natürlich nehme ich von der Arbeit etwas mit nach Hause, aber wenn ich mich außen bewege, dann kann ich super abschalten. Von Seiten Korian gibt es außerdem ein Achtsamkeitsprojekt mit vielen Entspannungsübungen.