Was hat Sie an der Stelle des Leiters „Qualität und Ethik“ bei Korian Deutschland besonders gereizt?
Korian ist der größte Betreiber Deutschlands und Europas – verglichen mit dem Fußball – wer möchte nicht beim FC Bayern oder Real Madrid spielen? Spaß beiseite: Korian Deutschland zeigte mir auf der Ebene des Vorstandes und des Aufsichtsrates, dass sie gewillt sind, die Qualitätsführerschaft anzustreben und auszubauen. Dabei wird vor Nutzbarmachung von Innovation in technischer und wissenschaftlicher Hinsicht kein Halt gemacht. Die Vielfalt von Einrichtungen und Konzepten (stationäre Pflege, Tagespflege, COMO, ambulante Pflege, Intensivpflege etc.) sowie der internationale Kontext sind Faktoren, die nicht nur reizvoll sind, sondern mir auch bisher in dieser Form nicht zur Verfügung standen.
In letzter Zeit mehrt sich die Kritik an großen renditegetriebenen Pflegeunternehmen. Ist es aus Ihrer Sicht tatsächlich schwieriger, hier die Pflegequalität hoch zu halten?
Gleich vorweg: Ich kann diese Kritik grundsätzlich verstehen. Allerdings begründet sie sich oftmals auf der Basis unzureichenden Detailwissens. Es werden schnell mal Begriffe wie Rendite, Gewinn, Marge oder eingesetztes Kapital unsachgemäß in den Raum geworfen. Realistische Vergleiche sind dann aber nicht möglich. Es stellt sich vielmehr die Frage: Wieso bekommen es einige Träger ganz gut hin und sind wirtschaftlich erfolgreich und andere wiederum nicht? Jedoch wissen alle Praktiker: Niemand ist langfristig wirtschaftlich in der Pflege auf Kosten der Qualität und der Pflegekräfte erfolgreich. Den Hebel der Sparsamkeit genau dort zu sehen, zeigt die Undifferenziertheit in der Debatte. Alle Träger stehen vor der Frage – was macht Qualität in der Pflege eigentlich aus? Eine Antwort hierzu ist bisher fachlich nicht eindeutig definiert. Wir alle werden seit mehr als 10 Jahren an etwas gemessen, das sowohl Experten als auch die Öffentlichkeit gleichermaßen als unzureichend und bisweilen sogar irreführend empfinden. Meines Erachtens darf es eigentlich kein System geben, das ohne pflegerischen Sachverstand oder dessen angemessener Beteiligung entwickelt wurde. Aus diesem Grund setze ich viel Hoffnung in das neue System der Ergebnisindikatoren, welche stärker nach tatsächlichen Ergebnissen eine Bewertung der Pflegearbeit zulassen. Unabhängig davon, ist uns allen die Herausforderung im Qualitätsmanagement gleich, funktionale Verhaltensweisen unserer Mitarbeiter in Routinen zu überführen und im Gegenzug dysfunktionales Verhaltensweisen dauerhaft abzustellen und dennoch im gebotenen Einzelfall von diesen Routinen hinreichend abzuweichen. Korian Deutschland steht mit fast 240 Einrichtungen auch quantitativ vor einer großen Herausforderung. Wenn man nur alleine die Kosten der Digitalisierung betrachtet – diese sind bei unserer Größe eben auch deutlich höher als bei einem Betreiber einer solitären Tagespflegeeinrichtung. Ich persönlich sehe in der Größe aber auch den Vorteil, proaktiv, gestaltend und innovativ diese Herausforderung angehen zu können.
Welche Strategie des Qualitätsmanagements verfolgen Sie? Welche Maßnahmen sind Ihnen besonders wichtig?
Wir streben bei Korian die Qualitätsführerschaft an, ganz so, wie man es vom größten Betreiber Deutschlands auch erwartet. Meine Schwerpunkte liegen bei neuartigen Ansätzen des Risikomanagements und in der vollumfänglich durchdeklinierten Umsetzung der Nationalen Expertenstandards einschließlich ihrer Qualitätsindikatoren. Dabei werden innovative Ansätze zur Visualisierung eines QMH und die Nutzung technischer Innovationen sowie die Erprobung neuer Verfahren mit Hilfe der Verzahnung von Pflegewissenschaft eine entscheidende Rolle spielen. Das A & O ist aber die Gewinnung und Überzeugung der Mitarbeiter vor Ort für die Sache: Die Pflege- und Betreuungskräfte, die Mitarbeiter der Hauswirtschaft, die Verwaltung und die Haustechnik – ihnen allen ist meine tiefste Anerkennung gewiss, für das was sie jeden Tag aufs Neue Außergewöhnliches leisten. Zumeist kommt der Rest dann von selbst.
Was sind Chancen und Herausforderungen eines zentralisierten QM‘s in einem so großen Unternehmen? Wie organisieren und kontrollieren Sie, dass das QM in den Einrichtungen vor Ort auch entsprechend Ihrer Vorstellungen durchgeführt wird?
Weitgehend automatisierte Reports, also standardisierte Berichte auf einer großen Datenbasis sind hier in der Tat ein überlebenswichtiges Elixier. Dabei wissen wir, dass es systembedingte Grenzen gibt. Aus diesem Grund haben wir ein spezielles Qualitäts-Auditteam, das sich mit diesen Grenzen beschäftigt und in einem internen Algorithmus die Einrichtungen besucht. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch auch für das einheitliche Qualitätsverständnis vor dem Hintergrund der Kernwerte von Korian zu werben. Für mich sind Transparenz, Wertschätzung, Initiative und Verantwortung keine hohlen Phrasen. Mir ist wichtig, dass wir technisch und wissenschaftlich up-to-date sind, aber ohne die richtige Haltung ist dies letztlich im wahrsten Sinne des Wortes wertlos. Für diese Geisteshaltung stehe und brenne ich jeden Tag und stelle mich selbstredend dem Dialog mit den Kollegen.
Wie sorgen Sie personell dafür, dass die QM-Strategie in den Einrichtungen umgesetzt wird? Gibt es für jede Einrichtung einen QM-Beauftragten? Und gibt es regelmäßige Treffen dieser Beauftragten?
Wir haben natürlich eine Strategie, um unsere Ziele zu erreichen. Neben den QM-Beauftragten gibt es regionale Qualitätsmanager (RQM), die sich in den Einrichtungen vor Ort für die Umsetzung der Qualitätsforderungen verantwortlich zeichnen. Diese Mitarbeiter sind mit elementaren Befugnissen gegenüber den Einrichtungsleitungen und Pflegedienstleitungen der Einrichtungen ausgestattet. Diese „RQMs“ transportieren die DNA von Korian und sind somit das Rückgrat unseres Netzwerks. Meines Erachtens ein wesentlicher Unterschied zu vielen anderen Betreibern und ein entscheidender Faktor zur Vermeidung von Baustellen in jeder Hinsicht.