Interview (Teil 2) mit Saskia Weiß, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.

18.10.2024

6 Minuten Lesedauer

Interview (Teil 2) mit Saskia Weiß, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.

Im ersten Teil unseres Interviews mit Saskia Weiß ging es um Symptome, Präventionsmaßnahmen und die wichtige Rolle der Angehörigen bei Demenz-Erkrankten. Im zweiten Teil werfen wir einen gemeinsamen Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft, die Rolle der KI und die Unterstützung von politischer Seite.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Wissenschaft?

Saskia Weiß: Aktuell gibt es große Bewegungen und Diskussionen im Bereich der Frühdiagnostik und Medikamentenentwicklung. Allerdings werden die aktuell in der Entwicklung befindlichen Medikamente, die so genannten Anti-Amyloid-Antikörper, nur für einen kleinen Teil der Betroffenen von Nutzen sein, nämlich für Alzheimer-Patienten in einem sehr frühen Stadium der Demenz. Ein Beispiel hierfür ist Lecanemab, dass beispielsweise den USA zugelassen ist, in Europa aber nicht.

Kann Künstliche Intelligenz (KI) bei der Erkennung von Demenz und deren Behandlung helfen?

Saskia Weiß: In den letzten Jahren wurden einige Apps entwickelt, die sowohl die Diagnostik als auch die Patientinnen und Patienten unterstützen sollen. Die Themen KI, Robotik und Digitalisierung spielen dabei eine wichtige Rolle und werden auch immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Forschung in dem Bereich ist seit vielen Jahren sehr aktiv. Leider ist es im Moment aber so, dass diese Innovationen zumeist keine Marktreife erreichen und damit den Betroffenen nicht zugutekommen können. Es wäre sehr hilfreich, wenn gut evaluierte Projekte in die Regelversorgung der Kranken- oder Pflegekassen integriert würden. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die technisch-digitale Unterstützung, sondern auch für Versorgungsangebote oder nicht-medikamentöse Therapieformen.

Dann passt die nächste Frage gut: Was wünschen Sie sich denn von der Politik? Welche Initiativen bräuchten sie, damit die Arbeit mit Menschen oder für Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen besser wird?

Saskia Weiß: Es müsste eine Pflegereform geben, die den Familien auch wirklich nützt. Damit einher geht der Ausbau der Versorgungsstruktur. Hier kommt zudem wieder das Thema Innovationen ins Spiel – nämlich die Förderung von Innovationen, die wirklich hilfreich für den Alltag sein könnten.

Für uns als Selbsthilfeorganisation spielt ganz klar die Stärkung der Selbsthilfeförderung eine wichtige Rolle. Wir finanzieren uns aus Spenden und Erbschaften, aber eben auch aus Fördermitteln. Hier brauchen wir dringend ein Mehr an finanziellen Mitteln. Auch eine Stärkung des Ehrenamts ist elementar für unsere Arbeit. Es wird immer schwieriger Ehrenamtliche zu finden, besonders für zum Beispiel die anspruchsvolle Vorstandstätigkeit. Dies führt dann wiederum dazu, dass sich Vereine auflösen. Steuererleichterungen für ehrenamtlich Tätige oder eine Anrechnung des Ehrenamts auf die Arbeitszeit könnten sich anbieten.

Wir versuchen als Interessenvertretung für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen uns im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren aktiv einzubringen. Denn die Erfahrung aus der Praxis ist so wichtig, damit neue Gesetze und Vorschiften am Ende in der Praxis gut umsetzbar sind und tatsächlich Verbesserungen für die Betroffenen bewirken.

Haben Sie noch einen Tipp für Pflegeunternehmen im Umgang mit Demenz-Patienten?

Saskia Weiß: Mit wäre das Thema Fortbildung sehr wichtig: Für Personal, das keinen Pflegehintergrund hat, also Hauswirtschaft, Technik, Küche. Auch diese Personen sind im Haus unterwegs und können in Situationen kommen, die sie vielleicht überfordern. Hier kann schon eine kurze Fortbildung zum Thema Demenz helfen und zur Arbeitszufriedenheit beitragen. Wir bieten zum Beispiel mit der Demenz-Partner-Initiative 90-minütige Kompaktkurse zum Thema an.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Weiß.

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