Gewalt in der Pflege vorbeugen

23.04.2024

13 Minuten Lesedauer

Gewalt in der Pflege vorbeugen

Gewalt in der Pflege beginnt nicht erst mit körperlicher Gewalt, sondern kann sich auch in anderen Formen äußern. Pflegende sind sich oft selbst nicht darüber bewusst, dass ihr Verhalten eine Form von Gewalt ist – und nicht immer steckt eine böse Absicht dahinter. Auch Überforderung, Überlastung, Erschöpfung oder psychische Probleme können zu gewalttägigen Handlungen führen. Hier erfahren Sie, welche Ursachen und Maßnahmen Sie ergreifen können, um Gewalt in der Pflege vorzubeugen.

Wieso kommt Gewalt in der Pflege vor?

Das Verhältnis zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden bringt viele Herausforderungen mit sich: die enorme Belastung der Pflegenden, das Machtgefälle zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen, Kommunikationsprobleme, Frust und Unzufriedenheit auf beiden Seiten. All das kann sich in herausforderndem Verhalten und Gewalt äußern. Meist führt eine Kombination verschiedener Faktoren zu Gewalt. Die häufigsten sind: Überforderung und Überlastung, Stress und Erschöpfung, aber auch der Druck durch eine hohe Verantwortung. Oft fehlt es an entsprechenden Kompetenzen und Schulungen, um mit herausfordernden Pflegebedürftigen und konfliktreichen Situationen umzugehen. Manchmal führen persönliche Probleme, Konflikte in der Familie oder eine Trennung dazu, dass Pflegekräfte ihre Frustration an den betreuten Personen auslassen. Andersherum können auch Pflegebedürftige zu herausforderndem Verhalten neigen, wenn ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden, vor allem wenn sie sie nur eingeschränkt handlungs- oder kommunikationsfähig sind.

Was trägt zur Gewaltprävention bei?

  • Sensibilisierung: Ist es schon Gewalt, wenn jemand lange auf Hilfe warten muss? Wenn ich eine Person bevormunde? Wenn ich ihr ungefragt den Fernseher einschalte oder sie zum Essen oder Trinken nötige? Nur wer Gewalt in der Pflege als solche wahrnimmt, die verschiedenen Formen und Anzeichen erkennt, kann auch eingreifen.
  • Kompetenzentwicklung: Pflegende brauchen Schulungen zu Themen wie Konfliktlösung, Deeskalationstechniken, Kommunikationsfähigkeiten und Stressmanagement. Gegebenenfalls sind auch Fortbildungen für den Umgang mit speziellen Herausforderungen wie Demenz hilfreich. Pflegende Angehörige können kostenfrei Kurse zu bestimmten Themen in Anspruch nehmen, z.B. bei Kranken- und Pflegekassen und Sozialträgerverbänden.
  • Selbstfürsorge der Pflegenden: Die Überlastung von Pflegekräften ist ein strukturelles Problem, gegen das der oder die Einzelne oft wenig ausrichten kann – sehr wohl aber an der eigenen physischen und psychischen Gesundheit. Die Pflege von Menschen erfordert einen ständigen Einsatz körperlicher, emotionaler und geistiger Energie. Pflegekräfte und pflegende Angehörige können Anderen nur dann helfen, wenn sie auch gut für sich selbst sorgen: Pausen, Erholungszeiten und Unterstützungsangebote einfordern. Privat Pflegende können Entlastungsangebote wie Tages-, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege nutzen, um sich zu regenerieren.

Wenn Pflegende gewalttätig werden: Ursachen und Maßnahmen

Pflegende sind sich oft nicht darüber bewusst, dass ihr Verhalten eine Form von Gewalt ist. Dahinter steckt nicht immer eine böse Absicht. Meist kommen mehrere Faktoren zusammen, wenn es zu Gewalt im Pflegebereich kommt: Überforderung, Überlastung, Stress, Erschöpfung, Schlafmangel, private oder eigene psychische oder Suchtprobleme.

Wer bei Pflegebedürftigen Anzeichen von Gewalteinwirkung wahrnimmt, sollte unter vier Augen seine Beobachtungen ansprechen und konkrete Hilfe anbieten, ggf. Angehörige, die Hausärztin oder die rechtliche Betreuung informieren. Dokumentieren Sie alle Vorfälle und Gespräche. Ist die Person, von der die Gewalt ausgeht, bekannt, sprechen Sie sie in einem ruhigen Moment an – ohne Vorwürfe oder Drohungen. Schildern Sie nur, was Ihnen aufgefallen ist und machen Sie deutlich, dass das Verhalten nicht in Ordnung war. Bei wiederholten Vorfällen wenden Sie sich an das verantwortliche Personal. Bei Verletzungen empfiehlt sich eine ärztliche Untersuchung.

Bei groben Verstößen können Sie sich beim Medizinischen Dienst beschweren (für gesetzlich Krankenversicherte). Privat Krankenversicherte können sich an den Prüfdienst des Verbands der Privaten Krankenversicherung wenden.

In akuten Krisen helfen Pflegeberatungsstellen oder Krisentelefone weiter. Das Zentrum für Qualität in der Pflege hat eine Liste bundesweiter Krisentelefone zusammengestellt. Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums für Angehörige erreichen Sie montags bis donnerstags zwischen 9 und 16 Uhr unter 030 / 2017 91 31.

Hinschauen – Laut sein – Hilfe holen

Wenn Sie auf Gewalt aufmerksam geworden sind, finden Sie Hilfe an verschiedenen Stellen. Haben Sie keine Scheu, andere Personen anzusprechen. Über unser Hinweisgeber-Meldesystem gibt es die Möglichkeit, anonym auf Vorfälle hinzuweisen.

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Wenn Pflegebedürftige aggressiv oder gewalttätig werden: Ursachen und Maßnahmen

Auch Pflegebedürftige selbst können Pflegekräften oder pflegenden Angehörigen gegenüber Gewalt ausüben. Grund dafür kann eine persönlichkeitsverändernde Erkrankung wie Demenz oder Alzheimer sein. Wenn Menschen verwirrt, desorientiert, oder verzweifelt sind, kann das zu Aggressionen führen. Auch aus einem Gefühl der Hilflosigkeit und Fremdbestimmtheit heraus kann Gewalt entstehen, häufig in Situationen, in denen es zu Körperkontakt und einem Eingriff in ihre Intimsphäre kommt, etwa bei der Körperhygiene.

In solchen Konfliktsituationen ist es wichtig, Pflegebedürftige in ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen. Versuchen Sie herauszufinden, woher die Aggression kommt, was sie „triggert“ oder löst die Wut in ihnen aus? Wenn Sie den Grund kennen (Angst? Scham? Schmerzen?), können Sie gezielt Lösungen anbieten.

Häufig gestellte Fragen: Gewalt in der Pflege

Wo fängt Gewalt in der Pflege an?

Gewalt beginnt nicht erst bei Schlägen. Die Schwelle, an der Aggression und Gewalt anfangen, ist fließend und Beteiligten oft nicht bewusst. Das beginnt bereits bei unerlaubtem Duzen, unangekündigtem Betreten des Zimmers, ungefragtem Umschalten des Fernsehprogramms oder dem Nötigen zum Essen oder Trinken. Auch wenn Pflegekräfte oder Betreuende die Bedürfnisse der Patient: innen ignorieren, sie unnötig lange auf Hilfe warten lassen, sie anschreien oder beleidigen, kann das bereits eine Form von Gewalt sein.

Wie erkennt man Gewalt in der Pflege?
  • Physische Anzeichen: Unerklärliche Verletzungen wie Blutergüsse, Schnitte, Verbrennungen oder Knochenbrüche
  • Verhaltensänderungen: Plötzliche Veränderungen im Verhalten des Pflegebedürftigen, wie Angst, Rückzug, Depression, Aggressivität, übermäßige Anhänglichkeit, Schamgefühle, Nervosität
  • Unsaubere oder unzureichend gepflegte Umgebung, mangelnde Hygiene, unangemessene Kleidung oder Hunger
  • Anzeichen finanzieller Ausbeutung: Verschwinden von Bargeld oder Wertgegenständen, unerklärliche finanzielle Transaktionen
Welche Rechte haben Pflegebedürftige?

Pflegebedürftige haben die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen auch. Um die Rechte dieser besonders vulnerablen Gruppe zu stärken, gibt es in Deutschland seit 2005 die sogenannte Pflege-Charta. Darin sind die acht wichtigsten Rechte zusammengefasst:

  1. Selbstbestimmung: Pflegebedürftige bestimmen selbst über ihr Leben, die Art der Pflege und welche medizinische Behandlung sie haben möchten.
  2. Schutz und Sicherheit vor Gewalt – egal, ob verbal, psychisch oder körperlich
  3. Privatsphäre: Niemand darf ungefragt ihre Briefe öffnen, Kontoauszüge einsehen etc.
  4. Das Recht auf gute Pflege, die ihren Bedürfnissen entspricht
  5. Zugang zu Informationen: Sie müssen verstehen, warum sie medizinische Behandlungen erhalten sollen, welche Arten der Behandlung und Pflege es gibt etc.
  6. Gesellschaftliche Teilhabe: Angebote zur Beschäftigung, zu sozialen Kontakten, Veranstaltungen, Informationen zu Politik
  7. Respekt und Achtung ihrer Kultur, Religion und Art zu leben
  8. Palliative Begleitung: Pflegebedürftige haben das Recht, dass ihre Wünsche kurz vor dem Tod beachtet werden.
Was können Pflegende tun, um Gewalt zu vermeiden?

Pflegekräfte und pflegende Angehörige sollten sich über die verschiedenen Formen von Gewalt informieren und eine Sensibilität für übergriffiges Verhalten entwickeln. Schulungen helfen, in schwierigen Situationen mit herausfordernden Pflegebedürftigen angemessen zu reagieren. Ein wichtiger Baustein ist Selbstfürsorge: Pflegekräfte und pflegende Angehörige sollten ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden achten, z.B. durch regelmäßige Pausen, körperliche Aktivitäten und der Austausch mit anderen Pflegenden.

Wo gibt es Hilfe bei Gewalt in der Pflege?

Wer Gewalt in der Pflege erlebt oder diese vermutet, hat mehrere Möglichkeiten zu handeln. Der erste Schritt sollte immer sein, die betroffene Person in einem Einzelgespräch auf die Beobachtungen anzusprechen und Hilfe anzubieten.  Bei Verletzungen oder psychischem Schock ist es ratsam, eine Ärztin oder einen Arzt hinzuzuziehen. Auch die Person, von der die Gewalt ausgegangen ist, sollte angesprochen und nach den Motiven gefragt werden. In der professionellen Pflege empfiehlt es sich, Vorfälle möglichst sachlich zu dokumentieren und an das verantwortliche Personal weiterzugeben.

Für akute Krisen können Sie sich Rat bei einer Pflegeberatungsstelle oder einem Krisentelefon holen. Das Zentrum für Qualität in der Pflege hat eine Liste bundesweiter Krisentelefone zusammengestellt: (https://www.pflege-gewalt.de/beratung/krisentelefone/).

Das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums für Angehörige erreichen Sie montags bis donnerstags zwischen 9 und 16 Uhr unter 030 / 2017 91 31.
E-Mail: info@wege-zur-pflege.de

Website: https://www.wege-zur-pflege.de

Bei professioneller Pflege können gesetzlich Krankenversicherte Beschwerden beim Medizinischen Dienst (https://www.medizinischerdienst.de/) einreichen, privat Krankenversicherte beim Prüfdienst des Verbands der Privaten Krankenversicherung (https://www.pkv-ombudsmann.de/servicebereich/kontakt/). Manche Bundesländer und Kommunen bieten zusätzlich eine kommunale Beschwerdestelle. Die Kontaktdaten der örtlichen Stellen erhalten Sie beim Bürgeramt oder der Pflegeversicherung.

Was ist Gewalt in der Pflege?

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Zuletzt Aktualisiert am: 29.04.2024

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