Eine besondere Weihnachtsgeschichte

14.12.2021

5 Minuten Lesedauer

Eine besondere Weihnachtsgeschichte

Harm Keil, Bewohner im Korian Haus Dorotheenhof in Schwarmstedt, teilt eine Geschichte aus seiner Kindheit. Es geht um einen feierlichen Abend in Cuxhaven, bei dem Plattdeutsch eine besondere Rolle spielte.

Zwei markante Dinge kennzeichnen Harm Keil als waschechten Cuxhavener Jong: sein Humor und sein friesischer Akzent. Man findet den 93-Jährigen oft auf dem Balkon. Hier genießt er die Aussicht und empfängt Besuch: „Bei einer Tasse Tee mit Kluntjes und einem Stück Butterkuchen kann man sich dort am besten unterhalten“, sagt er.

Überhaupt erzählt Harm Keil gerne. Er kramt mit Vorliebe in Erinnerungen, die sein langes Leben geprägt haben. In 93 Jahren hat sich vieles angesammelt und das will erzählt und weitergegeben werden.

Die schönste Zeit aus heutiger Sicht war für ihn seine Kindheit. Er wuchs wohlbehütet auf dem Bauernhof seiner Großeltern auf, gemeinsam mit einem großen Teil der Familie. Unvergesslich sind die Abende am Kachelofen, wenn die Oma Geschichten erzählte, und ebenso unvergessen sind die Weihnachtsabende in Großvaters Stube.

Jedes Jahr kam der Weihnachtsmann zur Familie Keil. Die großen Kinder sagten dann immer aufwändige Gedichte auf. Einmal kam er danach zu den drei jüngsten Kindern, darunter auch Harm Keil, und fragte: „Na, kennt ihr auch ein Gedicht?“ Die drei riefen überrascht: „Gedicht?“ Erst war es ganz still im Raum, dann folgte lautes Gelächter. Die drei Kleinen wurden ganz rot und flüchteten aus der Stube. Draußen schworen sie sich, dass ihnen das im nächsten Jahr nicht wieder passieren würde. Da keiner von ihnen lesen oder schreiben konnte, beschlossen sie, selbst ein Weihnachtsgedicht zu verfassen.

Ein Jahr verging und in den Tagen vor Weihnachten trafen sich Harm Keil, sein Cousin Enno und dessen Schwester Ingrid auf dem Dachboden zum Üben. Schließlich war der feierliche Abend da und der Weihnachtsmann ging wie immer zuerst zu den Großen, um sich ihre Gedichte anzuhören. Danach wieder die Frage an die Kleinen: „Na, kennt ihr auch ein Gedicht?“

Diesmal nickten sie: „Jo, wi hebbt ok een Gedicht.“ Abwechselnd sagten sie ihre Zeilen auf: „Wiehnachten obend, do got wi noch boben, denn lühten de Glocken, denn danzen de Poppen, denn piept de Müs, in Großvadder sin Hüs.“ Wieder herrschte totale Stille, abgelöst vom tosenden Applaus der ganzen Familie. Alle wollten wissen, wo sie das schöne Werk herhatten, da sie doch noch gar nicht lesen konnten. „Hebbt wi süms mokt,“ antworteten die drei stolz. Da nahm der Großvater drei bunte Schokoladenanhänger vom Baum und gab ihnen jeweils einen. Sie waren die glücklichsten Kinder, die man sich vorstellen konnte.

nach oben scrollen


Zuletzt Aktualisiert am: 23.02.2024

Zuletzt angesehen

Korian - Clariane