Wie ist das eigentlich, wenn eine Person plötzlich pflegebedürftig wird und nicht mehr über die eigene medizinische Behandlung entscheiden kann: Dürfen der Ehepartner oder die Ehepartnerin dann diese Person vertreten? Anders als häufig vermutet, ist dies nicht automatisch der Fall: Eigentlich benötigt man eine Vollmacht.
Damit eine Person für eine andere rechtswirksam Entscheidungen treffen darf, muss sie dazu bevollmächtig sein, etwa durch eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung. Es gibt jedoch eine Ausnahme, die es Eheleuten ermöglicht, sich in medizinischen Notsituationen gegenseitig zu vertreten: das Ehegattenvertretungsrecht.
In diesem Artikel lesen Sie: Was ist das Ehegattenvertretungsrecht? Für wen gilt es? Wie lange gilt das Notvertretungsrecht für Ehegatten – und in welchen Bereichen? Wo liegen die Grenzen? Was geschieht nach einem Ablauf von sechs Monaten?
Was ist das Ehegattenvertretungsrecht?
Seit Januar 2023 gibt es das Ehegattenvertretungsrecht. Dieses Gesetz ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§1358 BGB) festgeschrieben und regelt, dass Eheleute sich in medizinischen Notsituationen gegenseitig vertreten dürfen. Es ist quasi ein Vertretungsrecht in Notsituationen. Ein Beispiel: Wenn eine Person etwa eine medizinische Behandlung wie eine Operation benötigt, aber selbst nicht zustimmen kann (zum Beispiel durch Bewusstlosigkeit oder Krankheit), so darf der Ehepartner oder die Ehepartnerin für sie entscheiden. Ärzte und Ärztinnen sind dann auch nicht an die Schweigepflicht gebunden, sondern dürfen dem Partner oder der Partnerin Auskunft erteilen.
Welche Bereiche umfasst das Notvertretungsrecht?
Das Ehegattennotvertretungsrecht gilt nur im gesundheitlichen Bereich. Konkret ermöglicht es Eheleuten, sich bei den folgenden Entscheidungen oder Aspekten zu vertreten:
- Entscheidungen über medizinische Untersuchungen, ärztliche Eingriffe und Therapien
- Verträge über Behandlungen oder auch eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege
- freiheitsentziehende Maßnahmen im Krankenhaus oder einer Einrichtung (etwa ein Bettgitter oder ruhigstellende Medikamente). Eine solche Maßnahme darf nicht länger als sechs Wochen andauern
- Ansprüche, die dem Ehegatten oder der Ehegattin durch Anlass der Erkrankung zustehen, geltend machen (beispielsweise Ansprüche bei einem Unfall)
Für wen gilt das Ehegattenvertretungsrecht?
Das Ehegattenvertretungsrecht gilt für alle Ehepaare und Lebenspartner:innen in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft. Es besteht unabhängig davon, wie lange sie verheiratet sind. Es gibt allerdings Ausnahmen. Das Ehegattennotvertretungsrecht gilt nicht, wenn:
- die Eheleute getrennt leben
- eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung vorliegen, denn diese haben immer Vorrang vor dem Ehegattennotvertretungsrecht
- sich bereits eine rechtliche Betreuungsperson um medizinische Angelegenheiten kümmert
- dem Arzt oder der Ärztin bekannt ist, dass die handlungsunfähige Person nicht von dem Partner oder der Partner vertreten werden möchte
Wie lange dürfen Eheleute die Notvertretung übernehmen?
Die Notvertretung für Ehepartner:innen ist auf sechs Monate begrenzt. Die Frist beginnt, sobald ein Arzt oder eine Ärztin eine Bescheinigung ausgestellt haben, dass die Person nicht mehr handlungsfähig ist. Arzt oder Ärztin sind dazu verpflichtet, diese Bestätigung auszustellen. Hier finden Sie das Formular, bereitgestellt vom Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer.
Ist nach dem Ablauf von sechs Monaten weiterhin eine rechtliche Betreuung notwendig, wird vom Betreuungsgericht eine Betreuungsperson bestimmt.
Der vertretende Ehepartner oder -partnerin kann beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Betreuerbestellung stellen.
In welchen Bereichen hat das Notvertretungsrecht für Ehepaare Gültigkeit?
Das Ehegattenvertretungsrecht hat klare Grenzen. Es gilt ausschließlich im medizinischen Bereich, aber nicht für finanzielle Angelegenheiten oder umfangreiche rechtliche Entscheidungen. Auf Verträge wie Mietverträge oder die Verwaltung des Vermögens ist das Notvertretungsrecht nicht anwendbar. Wenn Eheleute sich in diesen Bereichen vertreten möchten, müssen sie dies anderweitig regeln. Eine passende Vorsorge für Ehegatten für den Notfall ist etwa eine Vorsorgevollmacht. Es empfiehlt sich, das frühzeitig zu regeln.
Gut vorgesorgt: Die Vorsorgevollmacht
Das wichtigste Dokument, um eine Vorsorge zu treffen, ist die Vorsorgevollmacht. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie eine andere Person damit bevollmächtigen, in Ihrem Namen und für Sie Entscheidungen zu treffen. Das kann etwa notwendig sein, wenn Sie aufgrund von einer Krankheit, einem Unfall oder anderen Umständen nicht mehr in der Lage sind, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Mit einer Vorsorgevollmacht kann die Person weitreichende Befugnisse erhalten und etwa über finanzielle, medizinische und persönliche Angelegenheiten entscheiden. Es ist aber auch eine Beschränkung auf einzelne Bereiche möglich. Hier finden Sie weitere Informationen zur Vorsorgevollmacht.
Auf einen Blick: Ehegattenvertretungsrecht
Für viele verheiratete Paare ist es beruhigend zu wissen, dass sie in medizinischen Notsituationen einander automatisch vertreten können und für den Partner oder die Partnerin gesundheitliche Entscheidungen treffen dürfen. So können in Krisenfällen schnell und unbürokratisch medizinische Behandlungen und Maßnahmen umgesetzt werden.
Wichtig zu wissen: Dies ersetzt jedoch keine umfassende Vollmacht. Denn das Ehegattenvertretungsrecht ist nur auf den gesundheitlichen Bereich beschränkt und auf maximal sechs Monate beschränkt. Um den Ehepartner oder die -partnerin in allen Lebensbereichen vertreten zu dürfen und umfassend vorzusorgen, bedarf es einer Vorsorgevollmacht.
Häufige Fragen
Das Ehegattenvertretungsrecht ermöglicht es Eheleuten und Lebenspartner:innen in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, sich in medizinischen Notfällen gegenseitig zu vertreten.
Das Ehegattennotvertretungsrecht umfasst ausschließlich Entscheidungen im medizinischen Bereich, also über ärztliche Eingriffe und Therapien. Die ärztliche Schweigepflicht ist aufgehoben. Außerdem dürfen Eheleute über freiheitsentziehende Maßnahmen wie Bettgitter entscheiden und Verträge zu Behandlungen im Krankenhaus, Pflege- oder Reha-Einrichtungen abschließen.
Das Ehegattenvertretungsrecht ist nicht wirksam, wenn es eine Vorsorgevollmacht gibt oder eine Person bereits eine rechtliche Betreuungsperson hat, die sich um gesundheitliche Themen kümmert. Für getrenntlebende Eheleute ist es ebenfalls nicht wirksam.
Die Notvertretung für Eheleute ist auf sechs Monate begrenzt. Diese Frist beginnt, sobald ein Arzt oder eine Ärztin eine Bescheinigung ausgestellt haben, dass die Person nicht mehr handlungsfähig ist.
https://www.bmj.de/DE/themen/vorsorge_betreuungsrecht/ehegattennotvertretung/ehegattennotvertretung_node.html
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__1358.html
https://www.vorsorgeregister.de/fileadmin/user_upload_zvr/Dokumente/Datenformulare_ZVR/Formular_Bestaetigung_Ehegattennotvertretungsrecht.pdf
https://www.bundesaerztekammer.de/service/muster-formulare
https://www.pflege.de/pflegegesetz-pflegerecht/vollmachten-verfuegungen/notvertretungsrecht/