Demenz in der Familie: Was Pflegeprofis Angehörigen raten

24.09.2021

8 Minuten Lesedauer

Demenz in der Familie: Was Pflegeprofis Angehörigen raten

Soll ich meine Mutter zurechtweisen, wenn sie den Kaffee mit einem Messer umrührt? Wie reagiere ich auf die Unruhe meines alzheimerkranken Manns? Die Unsicherheit ist groß, wenn Menschen an Demenz erkranken – bei ihnen selbst und ihren Angehörigen. Gerontopsychiatrische Pflegekräfte von Korian kümmern sich beruflich um Alzheimer-kranke Menschen. Dass Angehörige darüber Bescheid wissen, was im Verlauf der Krankheit geschieht, ist ihnen und ihren Kolleg:innen ein großes Anliegen.

„Aufklärung ist in der Demenzarbeit das Allerwichtigste“, sagt Elke Jakoby, gelernte gerontopsychiatrische Fachkraft und Einrichtungsleiterin des Zentrums für Betreuung und Pflege im Lorettahof Herrstein. „Je mehr man weiß über die Krankheit, desto toleranter kann man damit umgehen und desto weniger Spannungen bauen sich auf.“

Alzheimer-Erkrankte erleiden ähnliche Symptome

Sie macht deutlich: Alzheimer ist eine schleichende Erkrankung. Sie beginnt mit Gedächtnislücken und gipfelt darin, dass sich Betroffene nicht mehr an Begegnungen erinnern können, die kurz zuvor stattgefunden haben. Aber es ist nicht nur der Gedächtnisverlust, der Alzheimer zu einer Belastung für alle Beteiligten werden lässt. Auch typische soziale Verhaltensmuster geraten in Vergessenheit – wie benutzt man eine Gabel? Wozu dient ein Schlüssel? Wie komme ich ins Badezimmer? Wo bin ich hier überhaupt? Für Angehörige wird es besonders schwer, wenn der erkrankte Mensch eine Persönlichkeitsveränderung durchmacht. Zu wissen, dass das Teil der Krankheit ist, ist dann zwar nur ein kleiner Trost, als Erklärung aber ungemein wichtig.

Weglaufen vor der inneren Spannung

Ein Merkmal, unter dem viele Patient:innen phasenweise leiden, ist eine belastende innere Unruhe. „Diese Unruhe nicht mehr zu haben, sie loswerden zu wollen, ist ein Grundbedürfnis,“, erklärt Elke Jakoby. Manche Patient:innen entwickeln sich deshalb zu sogenannten Läufer:innen. Sie eilen ruhelos durch die Zimmer oder drängen aus dem Haus hinaus. „Oft tritt die Unruhe zu bestimmten Zeiten auf, beispielsweise am späten Nachmittag, wenn der Tag ruhiger wird und keine Beschäftigung mehr stattfindet.“ Beobachten Angehörige oder Pflegekräfte solch eine Regelmäßigkeit, sollten sie sich darauf einstellen. „Man kann versuchen, den Zeitpunkt abzupassen, für Ablenkung zu sorgen oder einen geführten Spaziergang zu machen.“

Was tun, wenn das Waschen nicht mehr klappt?

Zur Alzheimer-Erkrankung gehört bei vielen Menschen auch eine Phase, in der sie ihre Körperhygiene vernachlässigen, ihre Kleidung nicht mehr wechseln und sich nicht mehr gerne waschen lassen. Geschieht das im Pflegeheim, sucht Einrichtungsleiterin Elke Jakoby geduldig das Gespräch: „Es ist unsere Aufgabe, einen Zugang zu dem Menschen zu finden und herauszubekommen, wie wir ihn oder sie erreichen können.“ Meist gibt es jemandem im Team, der den richtigen Weg findet, manchmal völlig unerwartet. „Eine unserer Bewohnerinnen hat nur geduscht, wenn wir mit ihr morgens um Viertel nach sechs laut ,Im Frühtau zu Berge‘ gesungen haben.“

Was prägt den Menschen?

Erfahrungen wie diese zeigen eindrücklich, wie bedeutsam es im Umgang mit Alzheimer-Patient:innen ist, die Biografie der Betroffenen zu kennen und zu respektieren. Oft ist das der Schlüssel, um in herausfordernden Situationen angemessen reagieren zu können, wissen gerontopsychiatrische Fachkräfte.

Manchmal ist es die vertraute Sprache

In den Korian-Häusern wird daher viel Wert darauf gelegt, mehr über das bisherige Leben von Alzheimer-Erkrankten zu erfahren – etwa im Zentrum für Betreuung und Pflege am Hofgarten Oettingen. Heike Haji ist dort Leiterin des Sozialdienstes und berichtet: „Wir hatten einen Bewohner, der einfach nicht mit uns aus dem Haus gehen wollte, obwohl wir alles versucht haben. Bis eine neue Mitarbeiterin zu uns kam, die italienisch sprach – sie konnte ihn in seiner Muttersprache aktivieren.“ Nachdem dieser wichtige erste Schritt getan war und der Bewohner Vertrauen gefasst hatte, ließ er nach und nach auch andere Pfleger:innen an sich heran. „Es war ein langer Weg, aber wir haben nicht aufgegeben“, beschreibt Heike Haji diesen Erfolg.

„Den Menschen annehmen, wie er ist“

Stichwort Vertrauen – für Heike Haji ist das der wohl wichtigste Faktor im Umgang mit Alzheimerkranken: „Es geht darum, den Menschen so anzunehmen, wie er ist. Ich versuche, mich in die Person hineinzuversetzen und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen. Tut man das, kann man gar nicht so viel falsch machen. Außerdem hat das einen total schönen Nebeneffekt: Man bekommt unheimlich viel zurück von dem dementen Menschen.“

Rat und Zuspruch

Doch so wichtig Vertrauen, biografisches Arbeiten und umfangreiche Kenntnisse über Alzheimer auch sind – der Umgang damit bleibt besonders für Angehörige herausfordernd, weiß Elke Jakoby. „Wir müssen den Angehörigen zugestehen, dass das eine sehr schwierige Situation ist und dass viele schlimme Ängste erleiden. Als Fachleute können wir hilfreiche Tipps geben, aber vor allem auch unser Verständnis dafür ausdrücken, welcher Belastung Betroffene ausgesetzt sind.“ Angehörige werden deshalb in Korian-Häusern nach den Vorlieben und Erfahrungen ihrer Nahestehenden gefragt, sie finden aber auch für ihre eigenen Sorgen und Befürchtungen offene Ohren.

nach oben scrollen


Zuletzt Aktualisiert am: 23.02.2024

Zuletzt angesehen

Korian - Clariane