Adipositas: Übergewicht in der Pflege

04.10.2024

13 Minuten Lesedauer

Adipositas: Übergewicht in der Pflege

Immer mehr Menschen in Deutschland sind von Adipositas betroffen, vor allem im höheren Alter. Wie Sie als Pflegende mit den Herausforderungen dieser Situation umgehen können, was konkret hilft und wo Sie Unterstützung finden, haben wir Ihnen hier zusammengestellt.

Was ist Adipositas?

Als Adipositas wird ein viel zu hohes Körpergewicht wegen übermäßig hohem Fettanteil bezeichnet. Sie kann sich in jedem Lebensalter entwickeln, stellt aber besonders dann eine Herausforderung dar, wenn Betroffene pflegebedürftig werden.

Denn Adipositas ist mehr als ein ästhetisches Problem, es ist eine behandlungsbedürftige Erkrankung, die seit 2020 als solche von der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Deutschen Bundestag anerkannt ist.

Von Adipositas spricht man ab einem BMI (Body-Mass-Index) von 30 und höher. Mit einem Wert zwischen 25 und 30 gilt ein Mensch als übergewichtig. Auf der Website der Adipositas-Gesellschaft finden Sie einen BMI-Rechner.

BMI (kg/m2) Grad
unter 18,5 Untergewicht
18,5 bis 24,9 Normalgewicht
25 bis 29,9 Übergewicht
30 bis 34,9 Adipositas Grad 1
35 bis 39,9 Adipositas Grad 2
ab 40 Adipositas Grad 3

Wie entsteht Adipositas?

Oft wird die Erkrankung durch individuelle Fehlernährung ausgelöst, häufig als Folge von schwerwiegenden psychischen Ursachen. Aus geringem Selbstwertgefühl, Bewegungsmangel und Gewichtszunahme kann ein sich verstärkender Kreislauf entstehen, der mit zunehmendem Alter auch wegen altersbedingten Bewegungseinschränkungen immer schwerer zu durchbrechen ist.

Pflegende, die helfend eingreifen wollen, brauchen die richtigen Strategien, um erfolgreich zu unterstützen. Denn auch von Adipositas bedrohte Menschen haben das Recht, ihr Essverhalten eigenverantwortlich zu gestalten. Erst ab einem BMI von 30 ist Intervention erforderlich. Doch das braucht viel Fingerspitzengefühl – auch weil Betroffene oft selbst unter ihrer Erkrankung leiden und gleichzeitig wenig Möglichkeit haben, sich selbständig zu verändern.

Welche Folgen hat Adipositas für ältere Menschen?

Gerade bei älteren Menschen sind die Möglichkeiten zum Sport meist eingeschränkt. Oft fehlt es auch an Motivation, die Körpermasse abzubauen. Doch das hohe Übergewicht geht mit erheblichen Problemen und Risiken für die Betroffenen einher:

Es kommt häufiger zu:

  • Einsamkeit, Ängsten, Depressionen, geringem Selbstwertgefühl
  • Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Schlafapnoe, Arthrose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Herzinsuffizienz und Schlaganfällen
  • Fettleber, Gallensteine, Krebserkrankungen
  • Unfällen, Rückenschmerzen, Knie- oder Hüftgelenk-Problemen
  • Harninkontinenz
  • Chronischen Wunden wie Dekubitus (Hautpflege)
  • Scheuer-Wunden und Infektionen der Haut

Umso wichtiger ist es, dass Sie Wege finden, betroffene Pflegebedürftige zu unterstützen.

Ist die Adipositas bereits mit Folge- und Begleitschäden verbunden, können Betroffene einen Grad der Behinderung beantragen.

Welche Probleme bringt Adipositas in der Pflege?

Nicht zuletzt bringt die Adipositas auch für Sie als Pflegeperson und für Pflegeeinrichtungen große Herausforderungen mit sich. Denn das hohe Gewicht Betroffener kann nicht nur jede Pflegemaßnahme zum physischen Kraftakt für Betreuungspersonen machen.

Durch das größere Risiko von Scheuer-Wunden auf der Haut und Infektionen durch Bakterien, die sich in Hautfalten besonders leicht vermehren können, ist bei der Hautpflege besondere Sorgfalt geboten.

Auch das Mobiliar und die Ausstattung wie Betten und Sitzmöbel müssen für das hohe Gewicht geeignet und zugelassen sein.

Pflegeeinrichtungen stehen so vor der Situation, dass sie für eine steigende Zahl an von Adipositas betroffenen älteren Menschen entsprechende Pflegeplätze bereitstellen müssen.

Was hilft beim Umgang mit Adipositas in der Pflege?

Glücklicherweise gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die den Umgang mit diesen Herausforderungen erleichtern.

Ursachenforschung

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört die Ursachenforschung. Denn nur damit können Sie das Problem bei der Wurzel packen. Das erfordert ein genaues Hinsehen und Hinhören von Ihnen als Betreuungsperson.

Folgende Faktoren sollten Sie kennen:

Allgemeine Ursachen können sein:

  • Genetische Faktoren
  • Hormonelle Störungen wie Fehlfunktion der Schilddrüse
  • Nebenwirkungen von Medikamenten
  • Überernährung
  • Bewegungsmangel
  • Unkontrolliertes Essverhalten wegen Demenz
  • Langeweile

Ursachen für falsche Ernährung:

  • Gestörtes Appetitempfinden
  • Psychische Faktoren („Frustessen, Kummerspeck“, emotionales Essen)
  • Falsche Ernährungsgewohnheiten aus ungünstigen Gewohnheiten
  • Fehlendes Ernährungswissen

So prüfen Sie Ernährungsgewohnheiten:

  • Wie lange besteht das Übergewicht?
  • Wie verteilt der oder die Betroffene Speisen über den Tag?
  • Was tut er oder sie während des Essens?
  • Haben Betroffene in einer sitzenden Tätigkeit gearbeitet oder in Bewegung?

Adipositas: Tipps für Betroffene

Mit folgenden Hinweisen können Sie Betroffene zum aktiven Mitwirken anregen:

  • Langsam essen und Mahlzeiten genießen
  • Snacken zwischendurch vermeiden
  • Luftdurchlässige Kleidung aus Baumwolle tragen und täglich wechseln
  • Keine Appetitzügler nutzen

Darüber hinaus können Sie

  • Angehörige und Freunde bitten, keine Süßigkeiten mitzubringen.
  • Informationsveranstaltungen in Pflegeeinrichtungen organisieren.
  • Nach Bedarf psychologische Beratung hinzuziehen.

Ausstattung

Für die Pflege von Menschen mit Adipositas ist die richtige Ausstattung unverzichtbar.

Dazu gehören:

  • Sitzmöbel, die für übergewichtige Menschen geeignet sind. Viele Stühle sind nur bis 180 kg zugelassen.
  • Verschiedene Waagentypen (Sitzwaagen, Stehwaagen, Patientenlifter mit Wiegefunktion)
  • Technische Hilfsmittel für die Pflege hochgewichtiger Menschen (belastbare Bettlifter, Adipositas-Aufstehhilfen, -Gehwägen und -Transportstühle)

Zielsetzungen

Ziehen Sie ein Team aus Ernährungsexpert:innen, Psycholog:innen und Physiotherapeut:innen zu Rate und machen Sie sich individuelle Zielsetzungen bewusst.

Dazu gehören für Betroffene:

  • Ausreichend Bewegung
  • Risiken zu kennen, um gesunde Ernährungsweise zu kennen und Diätvorschriften einzuhalten
  • Alternative Bewältigungsstrategien zu entwickeln, um mit emotionalen Problemen umzugehen
  • Gewicht dauerhaft zu senken

Behandlung von älteren Menschen mit Adipositas

Die Adipositas wird bei älteren Menschen auf mehreren Ebenen individuell therapiert – je nach Höhe des BMI und den bestehenden Vorerkrankungen.

Basistherapie

  1. Ernährung: Mit Hilfe von Ernährungsexpert:innen wird die Energiezufuhr auf eine niedrigkalorische Ernährung umgestellt.
  2. Bewegung und Sport: Ein Bewegungsprogramm soll den Gewichtsverlust durch die Ernährungsumstellung sicherstellen, weil mit zunehmender Muskelmasse der Grundumsatz steigt. Ideal ist: Radfahren, Walken, zu Fuß gehen statt Auto nutzen, Treppe statt Aufzug nehmen.
  3. Verhaltenstherapie: Mit psychologischer Unterstützung soll die Umstellung von Essverhalten und Bewegungsgewohnheiten erleichtert werden.

Nur wenn das nicht hilft:

  1. Medikamente: Unterschiedliche Wirkmechanismen können die Gewichtsabnahme bei Menschen mit BMI über 30 oder bei 25 mit Begleiterkrankungen unterstützen.
  2. Operation: Bei BMI über 40 oder schweren Begleiterkrankungen helfen Magenband, Magenballon oder Verkleinerung des Magens mit Magenbypass. Doch auch nach solchen chirurgischen Maßnahmen ist eine Lebensstil-Umstellung wichtig.

Nach Bedarf werden Betroffene an entsprechende Fachärzt:innen überwiesen. Begleitend kann der Besuch von Selbsthilfegruppen unterstützen.

Mehr Informationen:

  • Spezialisierte Fachärzt:innen, Kliniken und Kuren
  • Adipositas-Selbsthilfegruppen
  • Webseite der Adipositas-Gesellschaft

Wie kann man Adipositas bei älteren Menschen vorbeugen?

Damit es gar nicht erst so weit kommt und Übergewicht abgebaut werden kann, können Sie ältere Menschen und Pflegebedürftige mit verschiedenen Maßnahmen auch präventiv unterstützen.

Dazu gehören:

  • Regelmäßiger Mahlzeitenrhythmus
  • Gesunde Lebensmittel statt Fast Food und hochverarbeiteten Lebensmitteln wie Fertiggerichte, Fleisch, Wurst und Backwaren
  • Fettmenge reduzieren und pflanzliche Fette wie Öle, Nüsse, Samen wählen
  • Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Gemüse, frisches Obst und Vollkorngetreideprodukte
  • Weniger Alkohol und zuckerhaltige Softdrinks
  • Mehr Bewegung, weniger sitzende Tätigkeiten.

Fazit: Adipositas in der Pflege

Gerade im Alter kann Adipositas zur Herausforderung werden – für Betroffene, aber auch für Pflegende. Damit die Lebensqualität der Erkrankten so weit wie möglich wiederhergestellt wird, braucht es von Ihnen genaues Hinsehen und Hinhören. So können Sie möglicherweise die Ursachen des Problems erkennen und besser angehen.

Daneben gibt es zahlreiche praktische Maßnahmen, die den Pflegealltag erleichtern. Wichtig: Strukturen für einen gesünderen Lebensstil schaffen. Denn davon profitieren alle – Betroffene, noch nicht Betroffene, aber auch Pflegekräfte selbst.

Häufige Fragen

Ist Adipositas in der Pflege ein Problem?

Adipositas kann in der Pflege ein Problem werden, denn es stellt Pflegekräfte und Pflegeeinrichtungen aufgrund des massiven Körpergewichts Betroffener vor besondere Herausforderungen.

Wie können Pflegekräfte adipösen Patienten helfen?

Wichtig ist Ursachenforschung, um adipösen Patienten nachhaltig helfen zu können sowie Strukturen, die einen gesunden Lebensstil mit guter Ernährung und Bewegung ermöglichen. Darüber hinaus benötigen Pflegekräfte technische Hilfsmittel, um die Pflege adipöser Patienten zu gewährleisten.

Ist Adipositas ein Grad der Behinderung?

Sind aufgrund der Adipositas Folgeschädigungen eingetreten, können Betroffene einen Anspruch auf einen Grad der Behinderung haben.

Welche Prophylaxen bei Adipositas in der Pflege gibt es?

Zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen bei Adipositas in der Pflege gehören ein gesunder Lebensstil mit gesunder, nicht zu fetthaltiger Ernährung und ausreichend Bewegung.

Was bedeutet BMI in der Pflege?

Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein Wert, der angibt, ob Körpergröße und Gewicht in einem gesunden medizinischen Verhältnis zueinanderstehen. Pflegekräfte sollten in der Lage sein, den Wert für ihre Patienten zu berechnen, um rechtzeitig Maßnahmen gegen Adipositas einleiten zu können.

Quellen

https://www.pflege.de/krankheiten/adipositas-fettleibigkeit/

https://pqsg.de/seiten/openpqsg/hintergrund-standard-adipositas.htm

https://www.bzfe.de/service/news/aktuelle-meldungen/news-archiv/meldungen-2021/september/lebensstilinterventionen-bei-aelteren-menschen-mit-adipositas/

https://www.bzfe.de/service/news/aktuelle-meldungen/news-archiv/meldungen-2021/november/immer-mehr-hochbetagte-uebergewichtig/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21449785/

https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4910343?uac=392547SN&faf=1&sso=true&impID=3651711&src=WNL_mdplsfeat_210920_mscpedit_de#vp_3

 

Bild von <a href=“https://pixabay.com/de/users/joa70-16807463/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=7053082″>Joachim Schnürle</a> auf <a href=“https://pixabay.com/de//?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=7053082″>Pixabay</a>

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Zuletzt Aktualisiert am: 04.10.2024

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